"Markgraf Willehalm - Die Geschichte eines Ritters"

Im Jahr 1955 erzählte der inzwischen verstorbene Autor Werner Klose ebenfalls den "Willehalm" neu und fasste ihn als Jugendbuch zusammen - eine kleine Nachbetrachtung

1955 hat der inzwischen verstorbene Autor Werner Klose ebenfalls den Versuch gemacht, den "Willehalm" neu zu erzählen und zusammen zu fassen. Das im nicht mehr existierenden Tübinger Heliopolis Verlag erschienene Jugendbuch "Markgraf Willehalm - Die Geschichte eines Ritters" ist eine klassische Abenteuergeschichte (für Jungen) geworden, die in ihrer Sprache und in ihrem christlich-moralischen Impetus heute etwas antiquiert wirkt. Leider behält Klose, trotz entgegengesetztem Bekunden, letztlich auch die Stereotype "Christen gut" und "Sarazenen/Muslime schlecht" bei - das Rittertum erscheint als spannendes Abenteuer, und der übermenschlich-heilige Willehalm als Held - eine Brechung dieser heldischen Figur ist, wie bei Wolfram zumindest an manchen Stellen angedeutet, bei Klose kaum erkennbar.

Werner Klose hat vieles neu interpretiert und weggelassen, zum Beispiel die ganze erste Schlacht. Er hat die chronologische Abfolge teilweise verändert, Namen geändert und sogar Neues hinzu erdichtet, sodass diese Erzählung als eine sehr freie Auslegung des Ursprungstextes von Wolfram zu lesen ist.

Im Schlusssatz seines Vorworts lässt der Autor jedoch einen Gedanken anklingen, der im Kern, also unabhängig vom eigenen Glauben oder Nichtglauben, auch für mich Antrieb zum Nacherzählen dieses alten, vergessenen Stoffes war:

"Wer aber meint, eine solche Geschichte gehe ihn nichts an, da Krieger heute Düsenjäger fliegen und mit Atomkanonen schießen, dem sei gesagt, daß Wolframs Sehnsucht auch unsere Sehnsucht geblieben ist: Wir wollen den Haß begraben, dem Schwachen helfen und im Nächsten immer Gottes Ebenbild sehen!" 

Aus: Werner Klose: Markgraf Willehalm, Heliopolis Verlag, S. 9

Das ist die (versteckte) Botschaft des "Willehalm": Erst kommt der Mensch und dann lange Zeit nichts ... ein humanistisches Ideal, formuliert vor über 800 Jahren, und bis heute ein Ideal geblieben.

 

Bildquelle: Buchcover "Markgraf Willehalm"

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