Franken, Franzosen, Provenzalen oder: Wer ist denn nun der rechte Rittersmann?

Zu Beginn meines Buches "Willehalm und Arabel" hatte ich eine ganz spezielle Nuss zu knacken: Bezeichne ich die Christen in meiner Neuerzählung als (historisch korrekt) "Franken" oder übernehme ich den Begriff Wolframs, und bezeichne sie allgemein als "Franzosen" - auch wenn dies historisch eigentlich nicht korrekt war?

Dies war die große Irritation meiner Vorlage: Das alte Epos fußt zwar auf der historischen Figur des heilig gesprochenene Wilhelm von Aquitanien, aber der "Willehalm" von Wolfram von Eschenbach ist trotzdem keine historische Nacherzählung seines Lebens. Im Gegenteil, Legendäres, Zeithistorisches aus Wolframs Zeit und historische Versatzstücke aus dem alten Wilhelmslied purzeln im Originaltext völlig unorthodox durcheinander.

Die Frage, die mich beschäftigte, war deshalb vor allem: Bezeichne ich die Christen in meiner Neuerzählung als (historisch korrekt) "Franken" oder übernehme ich den Begriff Wolframs, und bezeichne sie allgemein als "Franzosen" - auch wenn dies historisch eigentlich nicht korrekt war? Ich habe mich für Letzteres entschieden, einfach, um Wolfram und seiner Erzählung möglichst gerecht zu werden.

Der Hintergrund dieses kleinen begrifflichen Chaos ist folgender: In der Willehalm-Forschung gelten die Begriffe »Franzosen« und »Franzosenland/Land der Franzosen« als nicht eindeutig geklärt. In der ersten Schlacht kämpft Willehalm offenbar vor allem als Provenzale mit seinen Landsleuten gegen die Sarazenen, in der zweiten Schlacht stehen sie u.a. an der Seite von König Louis' »römischen« Franzosen. Dennoch erscheinen Willehalm - als Louis' Lehnsmann - und seine provenzalischen Gefolgsleute als Franzosen wie sie. Auf der anderen Seite werden die Franzosen aber als abgeteilte, eigene Gruppe beschrieben, die sogar vor der 2. Schlacht Reißaus nehmen wollen ...

Ein weiteres Problem: König Louis' Vater, Kaiser Karl, wird im "Willehalm" als legitimer Nachfolger des alten Römischen Reiches gesehen, so wie das Fränkische Reich als Nachfolgereich des Römischen Reiches verstanden wurde. Zur Zeit des historischen Ludwig des Frommen existierte jedoch noch kein eindeutiges »Land der Franzosen«, sondern dieses entwickelte sich erst nach dessen Tod, also nach der Aufteilung des Fränkischen Reiches durch dessen Nachfolger. Aus dem westfränkischen Teil entstand demnach das frühe »Frankreich« im Sinne eines »Reichs der Franken«, im ostfränkischen Teil konnte sich der römische Gedanke später noch im Namen »Heiliges Römisches Reich« erhalten.

 

Bildquelle: Karte der Ausdehnung des Fränkischen Reichs 481 bis 814

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